Universalgrammatik: Ist Sprache angeboren? Chomsky und der Nativismus

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  • čas přidán 11. 06. 2023
  • In diesem Video lernst du, was es mit der Universalgrammatik (universal grammar) von Noam Chomsky, der in den 60er-Jahren für eine regelrechte Revolution der Linguistik gesorgt hat, aufsich hat.
    #sprache #linguistik #sprachen
    Quellen:
    - Arnauld, Antoine/Lancelot, Claude (1660/1993): Grammaire générale et raisonnée. Genève:
    Allia.
    - Hentschel, E. (2010). Universalgrammatik. In E. Hentschel (Hrsg.), Deutsche Grammatik. Walter de Gruyter.
    - Dipper, S., Klabunde, R., & Mihatsch, W. (2018). Linguistik. Springer Berlin Heidelberg.
    - Busch, A., & Stenschke, O. (2018). Germanistische Linguistik: eine Einführung. Narr Francke Attempto Verlag.
    - Hauser, M. D., Chomsky, N. & Fitch, W. T. (2002). The Faculty of Language: What Is It, Who Has It, and How Did It Evolve? Science, 298(5598), 1569-1579. doi.org/10.1126/science.298.5...
    - Schlobinski, P. (2014). Grundfragen der Sprachwissenschaft: eine Einführung in die Welt der Sprache (n) (Vol. 4125). UTB.
    0:15 Wie erwerben Kinder Sprache?
    2:15 Language Aquisition Device (LAD)
    2:40 Universalgrammatik (UG)
    2:55 Parameter
    5:02 Problem der Komplexität
    5:30 Rekursion
    6:15 Kritik an der Universalgrammatik
    Wie erwerben Kinder Sprache? Die einfachste Antwort ist, dass Kinder wiederholen, was sie um sich herum hören. Sie imitieren ihre Bezugspersonen. Dass Imitation tatsächlich eine sehr große Rolle beim Spracherwerb spielt, konnte in vielen Studien bisher auch nachgewiesen werden. Chomsky war aber der festen Überzeugung, dass Nachahmung nicht ausreicht, um den Prozess des Spracherwerbs zu erklären, denn Kinder formulieren neben korrekten grammatischen Sätzen auch ungrammatische Sätze und Formen, die sie noch nie vorher gehört haben. Wie ist das möglich?
    Chomsky stellte Mitte des 20. Jahrhunderts die Theorie auf, dass unser Gehirn mit einer biologischen mentalen Vorlage zum Erlernen von Grammatik ausgestattet ist und dass wir uns auf dieses angeborene grammatische Modul verlassen, um Sprache zu erwerben. Er nennt es das language acquisition device, kurz LAD. Das setzt voraus, dass allen 7.000 Sprachen der Welt im Kern eine gemeinsame Grammatik zugrunde liegt. Die Universalgrammatik. Sprachen unterscheiden sich nur dadurch, wie die angeborenen Regeln konkret umgesetzt werden.
    Dieser Gedanke hat weitreichende Folgen. Denn wenn es eine Universalgrammatik gibt, dann müsste man eine Reihe von universellen Prinzipien festlegen, sowie Parameter, die die Struktur von Sprachen bestimmen.
    Kinder haben angeborenes Wissen über die Struktur aller Sprachen, da es einen grammatischen Bauplan für alle Sprachen der Welt gibt. Bei der Geburt befinden sich alle Parameter noch wie kleine Schalter in ihrer Ausgangsposition. Wenn ein Kind seine Muttersprache lernt, dann experimentiert es mit den einzelnen Parametern herum, um herauszufinden, wie die Werte für die Parameter besetzt werden müssen, um grammatische Sätze in der von den Bezugspersonen gewünschten Sprache zu bilden. Durch die Reaktion der Bezugspersonen wird dann gelernt, was die Bezugspersonen als korrekt ansehen und was nicht.
    Die jüngste Überarbeitung der Universalgrammatik erfolgte im Jahr 2002, als Chomsky und seine Kollegen einen Artikel in der Zeitschrift Science veröffentlichten. Denn es gibt ein Problem, die Komplexität. Der genaue Aufbau der Universalgrammatik darf nicht zu komplex sein, denn es sollen alle Sprachen gleichermaßen berücksichtigt werden, aber sie muss komplex genug sein, um alle Sprachen mit ihren unterschiedlichen Strukturen abzudecken. Im Artikel aus 2002 beschrieben die Linguisten eine Universalgrammatik, die nur ein einziges Merkmal enthält, die Rekursion. Mit Rekursion ist z. B. die Verschachtelung von Sätzen möglich: Ich dachte, dass du dachtest, dass er dachte … usw. Dank Rekursion können mit einer begrenzten Anzahl von Wörtern und Regeln eine unbegrenzte Anzahl von Sätzen gebildet werden. Er schlug auch vor, dass diese rekursive Fähigkeit, die durch eine einzige genetische Mutation vor 100.000 bis 50.000 Jahren entstanden sein könnte, das ist, was die Sprache von anderen Arten kognitiver Prozesse wie Kategorisierung und relationaler Wahrnehmung unterscheidet.
    Doch es gibt viel Kritik. Einige Linguisten zweifeln daran, dass es überhaupt eine Universalgrammatik gibt. Argumentiert wird, dass Sprachen dafür einfach zu komplex seien. Sogar der Punkt, dass alle Sprachen über Rekursion verfügen, wird angezweifelt und es gibt Erklärungsansätze, die den kindlichen Spracherwerb erklären, ohne die Universalgrammatik.

Komentáře • 22

  • @luisfelipenunoramirez2827

    Sehr wertvolles Video, exzellente Entwicklung des Themas Universalgrammatik, das auf der Grundlage von Chomskys Theorie klar erklärt wird.
    Außergewöhnlich Ralph, vielen Dank !

    • @Linguistikeinfacheinfach
      @Linguistikeinfacheinfach  Před rokem

      Danke, dass du wieder dabei warst!

    • @luisfelipenunoramirez2827
      @luisfelipenunoramirez2827 Před rokem +1

      @@Linguistikeinfacheinfach Ich schätze deine Videos sehr und lerne viel aus deinen Vorträgen.

    • @Linguistikeinfacheinfach
      @Linguistikeinfacheinfach  Před rokem

      Studierst du etwas mit Sprachen?

    • @luisfelipenunoramirez2827
      @luisfelipenunoramirez2827 Před rokem

      @@Linguistikeinfacheinfach Lieber Ralph, ich studiere jetzt Deutsch, aber seit mehr als 30 Jahren bin ich in der interkulturellen Kommunikation, im Tourismus und im globalen Marketing tätig, aber meine Leidenschaft gilt der Linguistik, denn die Sprache ist der König und die Grundlage von allem. 🌍👑
      Deine Videos und deine Klarheit im Unterricht sind großartig. 🤩

    • @Linguistikeinfacheinfach
      @Linguistikeinfacheinfach  Před rokem

      Viel Erfolg beim Deutschstudium. Toll, dass du dich so für Sprachen begeistern kannst.

  • @danielmeyer8517
    @danielmeyer8517 Před 7 měsíci

    Hey hab grad deinen Kanal entdeckt. Bombe! Hast du zufaellig rin Video wo du erklaerst was eine Proposiion und der propositionale Inhalt einer Aussage und eines Gedankens sind? Das verstehe ich leider nicht…

  • @bonncph
    @bonncph Před 4 měsíci

    Mach mal ein Interviewvideo mit Chomsky!

  • @__wolfi
    @__wolfi Před rokem +1

    Ein weiteres tolles Video! Eine Frage zur Rekursion, wie funktioniert diese in polysynthetischen Sprachen?

    • @Linguistikeinfacheinfach
      @Linguistikeinfacheinfach  Před rokem +1

      Gute Frage 😅. Ich habe keine Ahnung. Vor allem da es immer wieder Diskussionen darüber gibt, ob es nicht doch eine oder mehrere Sprachen ohne Rekursion gibt.
      Ich bin der Universalgrammatik sehr kritisch gegenüber eingestellt. Die Sprachdiversität ist enorm und der Spracherwerb meiner Meinung nach nicht mit einem Sprachmodul zu erklären.

    • @__wolfi
      @__wolfi Před rokem +1

      @@Linguistikeinfacheinfach Danke für deine Antwort. Kein Problem, bisher konnte mir niemand eine konkrete Antwort geben. Ich schreibe zurzeit einen Roman, für den ich eine Sprache eigens konstruiert habe und entwickle sie nun grammatikalisch und phonologisch weiter, sodass sie polysynthetisch wird. Beim Schreiben habe ich bemerkt, dass ich keine Ahnung habe, wie oder ob ich sie rekursiv verwenden kann. Dank deinen Videos hat mein Halbwissen wenigstens ein Fundament.

    • @Linguistikeinfacheinfach
      @Linguistikeinfacheinfach  Před rokem +2

      Mega interessant! Wie bist du denn da vorgegangen?

    • @__wolfi
      @__wolfi Před rokem +2

      Als erstes habe ich das phonologische Inventar erstellt, das mein Volk benutzt, und die Phonotaktik definiert. Aus den Phonen habe ich Morpheme gebildet, die ganz klare Konzepte wiedergeben, wie z.B. Tier oder Stein. Dann die Satzstellung definiert und daraus Adpositionen abgeleitet. Mit den bereits vorhandenen Worten habe ich unter anderem Kompositionen gebildet, um das Lexikon zu vergrössern. Darauf noch ein paar simple grammatikalische Regeln, wie das Bilden des Plurals. Damit war die Protosprache fertig und sie kann auf unterschiedliche Weise weiterentwickelt werden.

    • @__wolfi
      @__wolfi Před rokem

      Ergibt das einigermassen Sinn? Ich habe keinen linguistischen Hintergrund.

  • @imaginecloudsxo7987
    @imaginecloudsxo7987 Před rokem +1

    Ich hatte eine Prüfung zu diesem Thema vor einem Monat 🥲🫣😂

  • @happyteaparty1063
    @happyteaparty1063 Před rokem +1

    Könnte man diese Theorie dann nicht auf die Probe stellen indem man eine Sprache erfindet, die diesen Regeln der Universalgrammatik widerspricht und diese dann Babys als Zweitmuttersprache beibringt (als einzige Sprache wäre sicher unethisch) und schaut ob sie sie lernen können? Denn wenn die Theorie stimmt, müsste das ja heißten dass Kinder es nicht schaffen die Sprache zu lernen, weil sie eben nicht der universellen inneren Grammatik des Kindes entspricht. Oder übersehe ich da etwas?

    • @Linguistikeinfacheinfach
      @Linguistikeinfacheinfach  Před rokem +5

      Ja, das wäre eine Idee. Allerdings bräuchte man hunderte Eltern, die diese völlig wirre und unlogische Sprache zunächst einmal lernen müssten. Denn als Zweitmuttersprache kämen wohl nur Eltern infrage, die lange vor der Schwangerschaft mit dem Lernen anfangen müssten. Es würden sich dann Fehler einschleichen, denn keiner der Eltern spricht diese Sprache als Muttersprache. Ein finanziell undenkbares Projekt, das auch organisatorisch scheitern würde. Schade eigentlich.

  • @user-dd2ru5ub9j
    @user-dd2ru5ub9j Před 8 měsíci

    Korrektur zu 3:14: Deutsch ist keine wirkliche SVO-Sprache, sondern folgt der Verb-Zweit-Regel, und besitzt sowohl Prä-, Post- als auch
    Zirkumpositionen