Ich saz ûf einem steine -- ein Sangspruch von Walther von der Vogelweide (ca. 1170 - ca. 1230)
Vložit
- čas přidán 7. 12. 2021
- Von dem Programm, "Walther von der Vogelweide - ein Wanderleben."
26. September, 2021, Allerheiligen Hofkirche, Residenz, München
From the program, "Walther von der Vogelweide - ein Wanderleben", September 26, 2021 in Munich's Allerheiligen Hofkirche (All Souls Court Church) of the Residenz. (English song translation below)
Im Video zu sehen sind / Appearing in the video: Joel Frederiksen - Gesang / Voice
Marc Lewon - Quinterne
TEXT - Ich saz ûf einem steine (Mittelhochdeutsch):
Ich saz ûf einem steine / dô dahte ich bein mit beine.
dar ûf sazte ich mîn ellebogen, / ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange. / dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben. / deheinen rât kunde ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe, / der deheinez niht verdurbe.
diu zwei sint êre unde varnde guot, / der ietweders dem andern schaden tuot.
daz dritte ist gottes hulde, / der zweier übergulde.
die wolte ich gerne in einen schrîn, / jâ leider des mac niht gesîn,
daz guot und weltlich êre / und gotes hulde mêre
in einen schrîn mügen komen. / stîge und wege sint in genomen:
untriuwe ist in der sâze, / gewalt ist ûf der strâze,
fride und reht sint beide wunt. / diu driu habent geleites niht, diu zwei werden ê gesunt.
Source: Lachmann, S. 12-15
Deutsch:
Ich saß auf einem Stein, / dabei deckte ich Bein mit Bein,
darauf setzte ich meinen Ellbogen, / ich hatte in meine Hand geschmiegt,
das Kinn und eine meiner Wangen, / dabei dachte ich sehr eindringlich darüber nach,
wie man auf der Welt leben sollte. / Keinen Rat konnte ich mir geben,
wie man drei Dinge erwürbe, / von denen keines verdürbe:
zwei davon sind Ehre und bewegliche Habe, / von denen das eine dem andern Schaden zufügt, / das dritte ist Gottes Huld, / welches die zwei an Geltung übertrifft.
Diese wollte ich gerne in einem Schrein. / Ja, leider, das kann nicht sein,
daß Gut und weltliche Ehre / und Gottes Huld noch dazu
in einen Schrein kommen können. / Stege und Wege sind ihnen verwehrt:
Untreue lauert im Hinterhalt, / Gewalt herrscht auf der Straße, / Friede und Recht sind beide wund.
Jene drei haben kein (freies) Geleit,
ehe diese zwei nicht gesund werden.
Übersetzung frei nach: „Walther von der Vogelweide. Werke. Band 1 Spruchlyrik. Mittelhochdeutsch-Neuhochdeutsch“, hrsg. von Günther Schweikle, Stuttgart 1994 (Reclam 819)
ENGLISH:
I sat on a stone, and crossed my legs,
I put my elbow on one, I had nestled in my hand
my chin and one of my cheeks, at the same time I was thinking very hard about
how to live in the world. No advice I could give myself,
how to acquire three things, none of which would spoil:
two of them are honor and possessions, one of which is detrimental to the other,
the third is the grace of God, which surpasses the two in importance.
I would like to have these in one shrine.
Yet, unfortunately, that cannot be, that good and worldly honor
and God's grace as well can come into one shrine.
Routes and ways are barred to them: Unfaithfulness lurks in ambush,
Violence reigns in the streets, Peace and justice are both wounded.
These three have no (free) passage, until these two are healed.
Video and Ton: Paata Beridze (Mono Productions) - Hudba
sehr schön besetzt
Vielen Dank für diesen Upload. Das Lied wurde wunderschön gesungen und begleitet. Ein großer Genuss!
Vielen Dank für die schönen Worte. Das Lied berührt mich tief, jedes Mal wenn ich die Gelegenheit habe, es zu singen. Danke, Walther....
@@ensemblephoenixmunich2210Verzeihung, beim lesen weiterer Kommentare war der Text dabei
a big hug for Joel Frederiksen
I'm in expectation
Ich saz ûf eime steine
und dahte bein mit beine:
dar ûf satzt ich den ellenbogen:
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dó dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben.
deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keines niht verdurbe.
diu zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
diu wolte ich gerne in einen schrîn.
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltich êre
und gotes hulde mêre
zesamene in ein herze komen.
stîg unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der strâze:
fride unde reht sint sêre wunt.
diu driu enhabent geleites niht,
diu zwei enwerden ê gesunt.